Gerade bei jüngeren Wählern hat Volt mit einem radikal proeuropäischen Kurs gepunktet. Die neuen Abgeordneten in Brüssel wollen nicht nur mit einer Fraktion verhandeln.
Für große Teile des progressiven, proeuropäischen Lagers ist das Ergebnis der Europawahl ein Schock: Der befürchtete Rechtsruck ist eingetreten, in Deutschland ist die AfD sogar zweitstärkste Kraft. Doch ausgerechnet bei der Partei, die sich mehr als jede andere als Gegenentwurf zum nationalistischen Kurs der AfD positioniert, herrscht Euphorie. "Ich bin total froh darüber, dass man mit einem positiven Wahlkampf und einer faktenbasierten, pragmatischen Politik Leute begeistern kann", sagte Damian Boeselager ZEIT ONLINE.
Boeselager war im EU-Parlament bislang der einzige Abgeordnete von Volt, der 2017 von ihm mitgegründeten ersten paneuropäischen Partei. Volt will die EU-Institutionen nicht einfach verteidigen, sondern sie weiter ausbauen, mit einer echten europäischen Regierung inklusive Premierminister und europäischer Armee. Das Grundsatzprogramm haben Volt-Mitglieder aus den EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam erarbeitet. Nun werden aus Deutschland zwei weitere Volt-Mitglieder nach Brüssel ziehen, dazu zwei niederländische. "Von eins auf fünf zu kommen, ist für uns ein unfassbarer Erfolg", sagt der 36-Jährige. In Deutschland holte Volt 2,6 Prozent der Stimmen, unter den 16- bis 24-Jährigen sogar neun Prozent.
Was überzeugte die Wählerinnen und Wähler? Waren es wirklich die föderalen Pläne für Europa oder die vergleichsweise spritzigen lila Wahlplakate mit Sprüchen wie "Sei kein Arschloch" oder "Für mehr Eis"? Oder wollten da nicht doch eher enttäuschte Grüne einen Punkt machen?
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Für Alexander Hoppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische Integration und Europapolitik der Universität Duisburg-Essen, spielten die forschen Sprüche zumindest eine Rolle. "Das verfängt vor allen Dingen bei der urbanen, jungen und gut gebildeten Wählerschicht." Volt sei mit dem Plakatieren auch besonders früh dran gewesen.
Auch der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für Politische Bildung würde von vielen genutzt und spiele gerade für kleine Parteien, die viele sonst nicht auf dem Radar hätten, eine große Rolle. Bei der vergangenen Europawahl sorgte ausgerechnet Volt mit einer Klage dafür, dass er kurz vor der Abstimmung zwischenzeitlich nicht mehr eingesetzt werden durfte: Die Partei sah sich auf der Ergebnisseite hinter den großen Parteien versteckt.
Vieles im Programm deckt sich mit dem der Grünen
Viele Inhalte von Volt überschneiden sich mit denen der Grünen. So fordert Volt etwa, dass die EU schon 2040 klimaneutral wird oder dass zehn Prozent jedes landwirtschaftlichen Betriebs zur Wiederherstellung der Natur genutzt werden. Ein gewichtiger Unterschied: "Weil Volt an keiner Regierung beteiligt ist und keine Kompromisse machen muss, gibt es auch keine Desillusionierung", sagt Hoppe.
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Obwohl die etablierten progressiven Parteien schon viele Stimmen an Kleinparteien verloren, für die es auf Europaebene keine Fünfprozenthürde gibt, könne man Hoppe zufolge noch nicht klar sagen, ob die Gewinne für Volt auch eins zu eins Verluste für die Grünen seien: "Ich habe noch nicht gesehen, wie viele Stimmen von Erst- und Nichtwählern dabei sind." Parteigründer Boeselager hingegen hält die Stimmverteilung für ein "Nullsummenspiel" innerhalb des progressiven Lagers, ein Dilemma stelle das für ihn aber nicht dar. "Wenn andere Parteien merken, dass man nicht nur nach rechts Stimmen verlieren kann, dann ist das gut", sagt Boeselager. Verloren haben die Parteien für den Volt-Mitgründer damit, dass sie keine Vision aufzeigten, wo es mit Europa hingehen soll.
Da Volt nicht stark genug für eine eigene Fraktion ist, schloss Boeselager sich in der vergangenen Legislaturperiode der europäischen Fraktion der Grünen an, ebenso wie die Piraten oder die Satirepartei Die Partei. Das mag es früheren Grünenwählerinnen erleichtert haben, ihr Kreuz bei Volt zu machen. Wo die fünf Volt-Vertreterinnen sich diesmal einordnen, ist allerdings noch offen. "Wir werden mit den Liberalen und den Grünen verhandeln", sagt Boeselager. Dafür spielen auch machtpolitische Überlegungen eine Rolle: Bei wem bekommt Volt am ehesten Ausschüsse, bei welchen Gesetzen kann eine Abgeordnete Berichterstatterin werden. Die letzte Entscheidung trifft ein europaweites Mitgliedervotum, aber Hoppe zufolge würden die Empfehlungen der gewählten Abgeordneten eine starke Rolle spielen.
Migrationspolitisch eher links
Boeselager sagte, dass Volt gerade beim Thema Klima tendenziell mehr Übereinstimmungen mit den Grünen habe. "Was die Innovationsfreundlichkeit angeht, sind wir vielleicht dann ab und zu den Liberalen näher", sagt Boeselager. Als Beispiel nennt er einen möglichst unideologischen Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Hoppe zufolge hat die niederländische Delegation auch noch einen stärkeren Fokus auf marktwirtschaftliche Mechanismen als die deutsche, was den Kampf gegen den Klimawandel angeht. Auch wenn die liberale Europafraktion Renew als linker gilt als aktuell die FDP in Deutschland, dürfte sie allerdings mit anderen Punkten im Volt-Wahlprogramm wie der Forderung eines europäischen Grundeinkommens zumindest fremdeln.
Damian Boeselagers Auftritt in Brüssel stellt der Politikwissenschaftler ein gutes Zeugnis aus. "Er war sehr aktiv. Dass er es als Ein-Mann-Delegation überhaupt geschafft hat, Berichterstatter zu werden, erfordert schon sehr viel gute Netzwerkarbeit", sagt Hoppe. Eines von Boeselagers Schwerpunktthemen ist Migration. Von sich selbst sagt er, als Schattenberichterstatter die Richtlinie zur Blue Card maßgeblich mitverhandelt zu haben. Sie vereinfacht es Arbeitsmigranten, sich zwischen EU-Staaten zu bewegen und sich niederzulassen.
Migrationspolitisch ist die Partei ohnehin eher links aufgestellt. Beispiel Asylpolitik: Von Auffanglagern an den EU-Außengrenzen hält der Volt-Abgeordnete nichts, die Geflüchteten müssten dezentral untergebracht werden. Volt fordert einen europäischen Verteilungsschlüssel. Der scheiterte jedoch bisher an den Mehrheiten in den Mitgliedsstaaten.
Dass das Wahlergebnis insgesamt nicht gerade Ausdruck einer flächendeckenden proeuropäischen Idee ist, ist für Boeselager jedenfalls kein Grund, sich auf rechtere Positionen einzulassen. Seiner Partei hat es bislang zumindest nicht geschadet.
Volt sind halt neoliberal im deutschen Sinne in der Richtung Ordoliberalismus. Pro Marktwirtschaft, aber inklusive der Anerkennung, dass ein marktorientiertes Wirtschaftssystem dennoch erhalten werden muss, was Markteingriffe etc als Werkzeug beinhaltet.
Keine EU-Marktwirtschaft wenn der Markt wegen Klima absaeuft/einfriert.
Keine EU-Marktwirtschaft wenn der Markt von Faschisten abgefackelt wird.
Keine EU-Marktwirtschaft wenn der Arbeitsmarkt komplett einseitig ist und potenzielles Personal gar nicht waehlen kann (-> BGE).
Respektabler (viieel viel mehr) als FDP-"Liberale", aber immernoch Liberale, im Guten wie im Schlechten.
Ich musste gerade erstmal lesen was Ordoliberalismus ist.
Ich bin ein großer Anhänger der sozialen Marktwirtschaft und sehe darin ein (wenn nicht sogar DAS) Marktwirtschaftssystem was funktional sozial und fair zu gleich ist.
Ja die Idee kommt ursprünglich von den Libertären, wird benutzt um ein Grundeinkommen zu finanzieren und wenn man nach der Umsetzung fragt, dann schlagen Liberale vor, dafür alle anderen Sozialleistungen zu streichen. Ist keine neue Idee und da müsste man dann nachfragen, wie genau die sich das vorstellen. Kann mir schwer vorstellen, dass die wirklich für ein bedingungsloses Grundeinkommen inklusive weitere Sozialleistungen sind.
Meine Hauptmotivation dieses Mal für Volt abzustimmen, war vor allem hoffentlich dabei zu helfen, eine zweite wählbare Alternative aufzubauen. Eigentlich habe ich mir vor jeder Wahl die Programme der verschiedenen Parteien angeschaut und für mich abgewogen. Zuletzt war bei mir aber der Eindruck gewachsen, dass von den im Bundestag vertretenen Parteien nur noch die Grünen wählbar sind.
Der Rest nimmt entweder den Klimawandel nicht erst oder die Bedrohung durch Putin und positiven Gestaltungswillen oder Zukunftsvisionen sehe ich derzeit leider auch nur noch bei den Grünen. Ich hoffe, dass Volt sich als echte liberale Partei etablieren kann (anders als unsere derzeitige "liberale" Klingelpartei für die oberen 1% mit liberalem Anstrich, weil man ja trotzdem über die 5% Hürde kommen muss).
Die haben einen Unvereinbarkeitsbeschluss veröffentlicht bei dem Zusammenarbeit mit allen anti-zionistischen Gruppen ausgeschlossen wird, u.a. auch der Jewish Voice for Peace lol. Aus ihrem Statement, sie distanzieren sich von:
Gedankengut, dass Israel Neokolonialismus und/oder Apartheid vorwirft, Israel und/oder Jüd_innen "white privilege" zuschreibt, damit eine Dominanz über andere Ethnien suggeriert.
Demnach distanzieren sie sich auch von mir als Wähler da die anscheinend ein weiteres Sprachrohr für die völkermörderische deutsche Staatsräson darstellen.
Wenn man das Parteiprogramm nicht selbst geschrieben hat, muss man immer irgendeine Kröte schlucken. Wenn Dir die Kröte des Anti-Anti-Zionismus zu groß ist, steht es Dir frei, eine andere Partei mit kleineren Kröten im Programm zu wählen.
Habe ich getan, bin dann bei Mera25 gelandet. Völkermord ist für mich eine rote Linie und ich kann es einfach nicht verstehen dass das den meisten Leuten so egal ist.
Mit ihrem Zionismus haben sie sich für mich genauso erledigt wie die Grünen.
Und ich habe die Grünen gewählt seit es die gibt. Was am und nach dem 7. Oktober passiert ist hat mich allerdings dazu gebracht mich näher mit der Geschichte Israels und des Zionismus zu befassen und seitdem ist mir Deutschland fremd geworden.
Ich hoffe, in Europa und Diem/Mera eine neue Heimat zu finden. Bin aber insgesamt nicht besonders hoffnungsvoll, was unsere Zukunft angeht.
Was hälst du von deren Standpunkt zum Ukraine/Russland Krieg? Das ist für mich ein Instant Ko-Kriterium, weshalb ich sie nicht in betracht ziehen würde.
Mich wundert das ehrlich gesagt nicht.
Volt klingt nach einer vernünftigen linken ohne die ganzen altlasten der Grünen dabei zu haben. Gentechnik ist ein gutes Beispiel hier.
Ich bin wirklich gespannt auf die Bundestagwahlen ich glaub bei weitem nicht dass die Grünen dort so herbe Verluste einfahren werden, ich denke viele werden von den Kleinparteien zur Bundestagswahl wieder zu den großen gehen.
Jo, dank einer fehlenden 5% Hürde habe ich bei der EU Wahl mein Kreuz bei den Piraten gemacht, bei der BTW wird es aber voraussichtlich wieder bei den Grünen landen.
(Nur schade dass die Piraten leider dennoch rausgeflogen sind :<)
Ich war bei denen auf einer veranstaltung und ehrlich gesagt waren das ziemliche liberale die dort waren. Keine wirkliche linke orientierung erkennbar.
Ist ein bisschen das Horror Szenario was ich bei Volt habe: Dass die ganzen BWL Tinas das FDP Schiff verlassen und sich dort einnisten. Dann kann man das "sozial" in "sozialliberal" nämlich direkt wieder streichen. Das wäre wirklich schade. Die Piraten mit ihrer kurzen Hochphase, die dann von Heuschrecken so gut wie vernichtet wurden, ist mir noch gut in Erinnerung.
Der Kandidat damals bei mir in der Stadt auch kompletter FDP dulli. Dass die Partei nach der EU Wahl ggf. ins liberale Lager wechseln wollte war für mich dann auch genug um sie auszuschließen. Blieb also mal wieder nur die Grünen übrig.
Das sagen immer alle, aber ich hab ehrlich gesagt nicht viel zu neoliberalen ansätzen bei Volt gesehen. Hast du da mal ein Beispiel? Hab jetzt nicht super lang gesucht aber so wie lemmy immer tut müsste das ja einfach zu finden sein.
Also dass jemand Volt für links hält betont leider nur wie tief der Neoliberalismus uns das Gehirn gewaschen hat. Nicht falsch verstehen, ich bin auch für ein US-artiges Modell für Europa, aber links ist anders.
Europaweites bedingungsloses Grundeinkommen finde ich jetzt nicht extrem konservativ aber darum bin ich ein großer Freund des Wahlomaten man kann bei spezifischen Fragen die Pläne der Parteien ansehen und entscheiden welche Partei tatsächlich ähnliche Ziele hat wie man selbst
Naja ein anderer Kommentar hat das ja schon ein bisschen angeschnitten.
Ich bin immer etwas verwirrt, viele sagen bei Volt immer direkt Neoliberalismus aber ich finde dazu ehrlich gesagt nichts. Hast du da mal ein konretes beispiel?
Edit: Haha ich seh jetzt erst deinen namen dass das "links" Gregor Gizeh ( :D ) etwas sauer aufstößt wundert mich dann doch nicht :D
Darum bin ich auf EU-Ebene zu Volt gewechselt, nicht weil ich die Grünen jetzt plötzlich doof finde. Volt bringt keine ideologische Altlast mit und wird von jungen, progressiven Europa-Enthusiasten angetrieben. Und Kleinstparteien können eben das Zünglein an der Waage sein, wie wir auf Bundesebene beispielhaft sehen. Kommunal/Regional/Bund bleibe ich vorerst treu, gerne dürfen die Grünen bei uns das konservative Volk weiter plagen.
Ich hatte mich gerade eben dazu entschlossen (und auch schon durchgeführt), dass ich eine Fördermitgliedschaft mit Volt starte (mit 20€/Monat).
Jetzt in der Europawahl hatte ich sie zwar noch nicht gewählt, sie waren aber in meiner engeren Auswahl. Habe mir nochmal das Programm von denen genauer angeschaut und das passt schon ziemlich gut zu dem was ich von einer Partei erwarte und werde sie wahrscheinlich in der nächsten Bundestagswahl und zukünftigen Landtagswahlen und diversen lokalen Wahlen wählen. Auch trotz der 5% Hürde, denn je mehr Stimmen sie bekommen desto mehr Parteifinanzierung bekommen sie und damit auch mehr Reichweite. Deshalb auch die Fördermitgliedschaft, die eben noch ein ganzes Stück mehr bringt was Finanzierung angeht, im Gegensatz zu einer Stimme.
Der Kandidat bei mir in der Stadt vor einigen Jahren war so ziemlich der typische FDP Stereotyp und fiel entsprechend im Wahl-O-Mat auch ziemlich durch (Wirtschaft über Klima & Umwelt, Autos über Fahrräder, usw.). Dass die Partei nach der EU Wahl abstimmen will, ob man nicht lieber ins liberale Lager wechseln will, war mir auch ziemlich zuwider. Hab wenig Lust "Grün" zu wählen, um dann Gelb zu bekommen.
Ich bin seit ein paar Monaten jetzt VOLT-Mitglied weil diese Partei einfach mit der größten Schnittmenge meine Interessen vertritt.
Und ich muss einfach sagen, ich habe schlicht und ergreifend keinen Bock mehr mich von etablieren Parteien wie der SPD, FDP, Linken oder sonst wem fürs "Gesamtwohl" über den Tisch ziehen zu lassen! Ja dann kommt meine Partei halt nicht in den Bundestag aber lieber gebe ich VOLT meine Stimme als das ich mich gängeln lasse strategisch zu wählen, wozu auch wenn ihr mich doch eh nicht vertretet!
Kompromisse, um mit anderen Parteien eine Regierung zu bilden, haben aber erstmal mit einem Wahlprogramm nichts zu tun. Die werden wärend der Koalitionsverhandlungen erarbeitet/errungen.
90% der Leute interessieren sich nicht für ein Wahlprogramm sondern wählen nach Nachrichtenlage und einer groben Idee wofür die Partei steht. Bei Grün ist das aktuell "Klimaschutz, Verbote, Heizung raus, Kriegstreiber, zu viel Kompromiss mit der FDP und generell Identifizierung als politischer Gegner Nr. 1". Bei Volt ist das "Jung, lila Poster, Internet und linksliberal". Ob diese Dinge in echt alle zutreffen ist natürlich eine andere Frage.
Leute wählen nicht nur bezogen auf EU Politik sondern generell nach Stimmung etc. (s. auch kleinere Wahlen in Ostdeutschland, die mit Bundespolitik entschieden wurden und nicht mit konkreten kommunalen Forderungen).