Du meinst in's Gschäft?
Es ist zum Teil hochgradig frustrierend, was den Betroffenen an Behördenwillkür widerfährt. Ich arbeite im sozialen Bereich und betreue einen jungen Mann (25), der in Deutschland geboren und zur Schule gegangen ist und nach wie vor eine ungeklärte Staatsangehörigkeit hat. Er ist Roma, seine Familie ist vor seiner Geburt aus Jugoslawien geflüchtet, seinen Vater kennt er nicht. Die Ausländerbehörde sagt: die Mutter kommt aus dem Kosovo, einmal nachregistrieren bitte. Der Kosovo hat keine konsularische Vertretung in Deutschland, also wurde ihr ein Flug in den Kosovo bezahlt und siehe da, es gibt dort keine Aufzeichnungen über sie. Dem serbischen Staat ist sie auch unbekannt. Das alles scheint der Ausländerbehörde nicht zu reichen. Man ist dort immer noch überzeugt, dass die Familie zurück auf den Balkan gehört. Der junge Mann, den ich betreue, hat Deutschland noch nie verlassen. Er spricht perfektes Deutsch. Die Beantragung der deutschen Staatsangehörigkeit ist allerdings nicht möglich, weil dazu die Identität zweifelsfrei geklärt sein muss und man eine andere Staatsangehörigkeit ablegen muss. Hinzu kommt noch, dass er keine Arbeit hat. Er hat nur einen Förderschulabschluss. Dumm ist er aber nicht. In unseren Gesprächen habe ich ihn als relativ intelligenten jungen Mann wahrgenommen, der sehr reflektiert über seine Situation spricht. Hier bedingt sich vieles gegenseitig. Viele Betroffene sind gefangen zwischen Kulturen. Bei ihm ist es auf der einen Seite, die konservativ muslimisch geprägt Kultur der Balkan-Roma, mit der er inhaltlich große Probleme hat, die ihm aber durch familiären Zusammenhalt ein Gefühl der Struktur gibt. Auf der anderen Seite ist da die deutsche Kultur, in der er aufgewachsen ist, die ihm Werte wie Toleranz, Weltoffenheit und individuelle Freiheit vermitteln wollte, ihm aber seit seiner Geburt zu verstehen gibt, dass er nicht dazugehört. Diesen Widerspruch stellt dann halt auch ein Teenager in der Schule fest und benimmt sich entsprechend. Menschen in solchen Situationen verzweifeln dann und es kommen handfeste psychische Erkrankungen dazu. Die ganze Situation ist unglaublich frustrierend und wir sind, was die Staatsangehörigkeit angeht inzwischen an einem Punkt, an dem es ohne Anwalt nicht weitergeht. Und einem Anwalt kann er sich natürlich nicht leisten.