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Big Tech und Demokratie: Ist das freie Internet bald tot?

www.zdf.de Big Tech und Demokratie: Ist das freie Internet bald tot?

Das freie Internet lebt nicht mehr lang, sagt Medienwissenschaftler Martin Andree. Warum er in Big Tech eine Gefahr für die Demokratie sieht.

Big Tech und Demokratie: Ist das freie Internet bald tot?

Das freie Internet lebt nicht mehr lang, sagt Medienwissenschaftler Martin Andree. Warum er in Big Tech eine Gefahr für die Demokratie sieht, erklärt er im ZDFheute-Interview.

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ZDFheute: An welcher Stelle wurde der entscheidende Fehler gemacht?

Andree: Politik und Behörden haben die Natur dieser digitalen Märkte am Anfang nicht verstanden und wurden von den Konzernen aufs Glatteis geführt.

Das Problem ist: Plattformen neigen zu massiven Netzwerk-Effekten, die fast immer dazu führen, dass sich ein Anbieter durchsetzt und alle anderen absterben.

Deswegen wäre es leicht gewesen, früh Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch anderen Anbietern Chancen lassen. Dies ist bis heute nicht erfolgt, im Gegenteil.

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ZDFheute: Wie kommen Sie zu der Berechnung, dass 2029 alles zu spät ist?

Andree: Die eigentliche Frage ist ja: Wann gehört den Plattformen die bundesdeutsche politische Öffentlichkeit als Grundlage unserer Demokratie? Hierfür schauen wir uns an, wo die aggregierte Aufmerksamkeit unseres Mediensystems liegt.

Dafür gibt es einen hervorragenden Näherungswert, und zwar die Werbeinvestitionen. Denn Unternehmen investieren dort in Werbung, wo die Aufmerksamkeit des Publikums ist.

Auf Grundlage der existierenden Vorhersagen können wir berechnen, dass 2029 weniger als ein Viertel der Aufmerksamkeit in analogen Medien ist - drei Viertel wird auf digitalen Kanälen sein. Dort herrschen die Plattformen mit ihrer uneinholbaren Übermacht.

Spätestens dann wird der Anteil der redaktionellen Medien viel zu schwach sein, um sich publizistisch noch gegen diese feindliche Übernahme zu wehren. Dann gehört Big Tech unser Mediensystem.

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Andrees Vorschläge gegen die Macht von Big Tech:

  • Öffnung für Outlinks: Plattformen müssten gezwungen werden, Outlinks ("Links nach draußen") auf allen Ebenen zu erlauben (Überschrift, Bild, Text, etc.) - und die gängige Praxis, Posts mit Outlinks zu diskriminieren, müsste als schweres kartellrechtliches Delikt bestraft werden (Ausnutzung marktbeherrschender Stellungen). Jeder solche Klick eines Nutzers wird in Zukunft als Entscheidung respektiert, die Plattform zu verlassen. Sofort würden die Mauern um die Plattformen eingerissen, der Traffic könnte wieder frei fließen.
  • Offene Standards: Man müsste große Plattformen dazu zwingen, auf allen Ebenen offene Standards zu nutzen und vollständige Interoperabilität herzustellen. Sobald die Nutzer Inhalte, aber auch Follower, über Plattformgrenzen hinweg teilen können oder mitnehmen können, bekommen andere Anbieter eine echte Chance.
  • Trennung Verbreitungsweg und Inhalt: Diese bewährte Praxis führt zu mehr Vielfalt und Wettbewerb - zumal man nach dieser Trennung die Plattformen für Drittanbieter öffnen könnte.
  • 30 Prozent Marktanteilsobergrenze: Bei demokratierelevanten Mediengattungen (Search, Social Media, Gratis Video-on-Demand) muss Vielfalt ermöglicht werden - erneut eine bewährte Praxis aus dem Medienrecht für Vielfalt und Pluralismus, die auch für andere Mediengattungen wie den Rundfunk erfolgreich eingesetzt wird.
  • Garantierte Staatsferne: Unternehmen, die Interessenskonflikte mit Regierungen haben, dürften auf dem Feld demokratierelevanter Medien nicht mehr in Deutschland wirtschaftlich tätig sein. Betroffene Konzerne müssten solche Unternehmensteile entflechten.
  • Zahlung voller Steuerlast: Big Tech müsste auf demselben Niveau Steuern zahlen wie andere Unternehmen in Deutschland.
  • Verbot der Monetarisierung strafbarer Inhalte: Sobald Digitalkonzerne die wirtschaftliche Verantwortung für Content übernehmen (zum Beispiel durch Werbung oder Gebühren), müssen sie auch die inhaltliche Verantwortung übernehmen. Sie können alternativ "unfiltered feeds" einführen - aber dort beispielsweise keine Werbung mehr schalten.
  • Beteiligung Nutzer an AGB: Wer Plattformen unterhält und die aktuellen Privilegien nutzt, muss die Nutzer beteiligen an der Bestimmung der AGB - denn es sind dieselben Nutzer, die die Plattformen überhaupt erst erschaffen.

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