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Kommentar: Wir fluten die Schulen mit Technik und fühlen uns digital

www.heise.de Kommentar: Wir fluten die Schulen mit Technik und fühlen uns digital

Medienpädagoge Daniel Schlep kritisiert, dass der Digitalpakt Technik in die Schulen spülte, aber langfristige Konzepte und echte Kompetenzen fehlen.

Kommentar: Wir fluten die Schulen mit Technik und fühlen uns digital
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  • bild von ipads

    Erst kam Corona. Dann kam die Flut – die iPad-Flut. Eigentlich ist Wissen die Grundvoraussetzung für einen reflektierten Kauf. Man sammelt Informationen, sucht Optionen beziehungsweise Alternativen, betrachtet Langzeitfaktoren und entscheidet – dies sollte im Rahmen des DigitalPakts Schule auch durch sogenannte Medienbildungskonzepte sichergestellt werden. Interessant ist dabei, dass wir heute eine Technik in Schulen haben, die nur bedingt Wissen fördert, wenige Optionen bietet und viele Fragen und Probleme aufwirft. Aber zunächst:

    Was führte zur großen iPad-Flut?

    Marketing hat uns gelehrt, dass Tablets so etwas wie Nachfolger von Notebooks und diese wiederum so etwas wie Nachfolger von Standrechnern seien. Dies ist sowohl technisch als auch aus Sicht der Medienpädagogik Unsinn. Technisch gesehen können handelsübliche Tablets die vielfältigen Funktionen eines Standrechners oder Notebooks in Produktionsbetrieben, Studios im Kreativsektor, Redaktionen, Firmenbüros oder Verwaltungen aktuell nicht ersetzen. Aus Sicht der Medienpädagogik ist bereits der Irrglaube entstanden, dass Betriebssysteme wie iOS/iPadOS oder Android/ChromeOS echte Alternativen zu Systemen wie Windows, macOS oder vollwertigen Linux-Distributionen darstellen. Wir sind inzwischen so weit, dass Privatfamilien daheim oft keine eigenen PCs/Notebooks mehr besitzen, Kindern nur noch Smartphones/Tablets mit Touchscreens an die Hand gegeben werden und schon eine Installation mit einer EXE-Datei zu großen Fragezeichen über den Köpfen der Menschen führt.

    Dieser Stand ist aus Sicht der Medienpädagogik und der generellen Entwicklung von Kindern/Jugendlichen – bezüglich des Medienwissens, der digitalen Souveränität und auch der Fingerfertigkeit – höchst bedenklich. Doch die Macht des Marketings wirkt stark in uns. Apple bewies in diesem Kontext wieder einmal ein sicheres Händchen und die ohnehin von Windows gelangweilte Menschheit bekam in Politik, Verwaltung und eben auch im Schulsystem die Möglichkeit, sich mit einem Großeinkauf von iPads modern und digital zu fühlen.

    Youtube mit Werbung in Schulen

    Was zunächst offenbar überzeugte, wird nach meiner Erfahrung zunehmend infrage gestellt. Es kommen immer mehr Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte mit Kritik auf mich zu. Eltern äußern, dass ihre Kinder (nun auch noch durch die Schule legitimiert) unentwegt an den Geräten kleben und behaupten, sie müssten Hausaufgaben machen, obwohl auch die extra bereitgestellten Schulgeräte oftmals eher für Konsumaktivitäten als für tatsächliche Arbeit genutzt würden. Schüler berichten mir, dass Konsum mit den Geräten im Unterricht vollkommen normal sei. Lehrkräfte stellen ihren eigenen Fortbildungsstand infrage und bemerken Konzentrationsprobleme bei den Schülerinnen und Schülern. Inzwischen veröffentlichen auch immer mehr Redaktionen aus unterschiedlichen Bereichen Artikel zum Thema. Und internationale Studien und Forschungsteams hinterfragen den Einsatz von digitalen Medien in Schulen generell.

    Aus verschiedenen Städten und Schulen wird mir immer wieder berichtet: Die Lernenden spielen, shoppen und konsumieren mit den Geräten im Unterricht und daheim. Echte Regeln zum Einsatz von Programmen und Diensten fehlen dabei scheinbar gänzlich oder werden gern missachtet. Bestes Beispiel: Es wird YouTube mit Werbeeinblendungen im Unterricht verwendet. Werbung in Schulen?

    An dieser Stelle: Nein, ich bin kein Apple-Hasser und spreche ebenso kritisch über Google oder Microsoft. Und genau das sollten Schulen, Schulträger und Bildungspolitik auch tun – Fragen stellen und Antworten finden.

    Was wollen wir damit erreichen?

    In Bezug auf iPads wird viel zu wenig hinterfragt, welche Kosten und welche Abhängigkeiten der Zugang in dieses Ökosystem auf Dauer verursacht. Welcher Elektroschrott entsteht durch den weitreichenden iPad-Einsatz in Schulen? Ist es tatsächlich sozial, iPads mit allen Folgefaktoren an Finanzschwache zu verteilen, und ist es souverän, sich dauerhaft an die Firma Apple zu binden?

    Bei näherer Betrachtung der Details wird klar, dass der massenhafte Einkauf von iPads speziell für das Schulsystem, in dem es um unabhängige Bildung, Hintergrundwissen und Reflexion gehen sollte, nicht der richtige Weg sein kann. Dabei kommen auch Fragen auf, ob man mit geschlossenen und verklebten iPads überhaupt echte Medienkompetenz lehren kann. Informatiker und Informatiklehrkräfte zeigen sich mir gegenüber im Austausch ebenfalls kritisch. Die Aussagen zu iPads in Schulen reichen hier sinngemäß von fachlichen Problemen wie "für den Informatikunterricht nicht zu gebrauchen" über generelle Probleme wie "Dateiverwaltung nicht sinnvoll möglich" bis zu profanen Problemen wie "Geräte wurden auf Paletten angeliefert und übers Wochenende bei nasskaltem Wetter auf dem Schulhof abgestellt".

    Blick auf die Alternativen

    Wir sollten bei der Beschaffung von Technik in erster Linie auf die Wissenschaft und nicht auf die Wirtschaft hören. Machen wir uns nichts vor: Bei aller Konsumdressur und Vorliebe zu komfortablen Lösungen, bei denen wir nichts selbst einrichten und verstehen müssen oder gar dürfen, wird kein Weg an einem grundlegenden Wissen über und einem breit gefächerten Einsatz von freier Open-Source-Software vorbeiführen. Denn reiner Konsum führt zu Abhängigkeit und Abhängigkeit führt zu Kontrollverlust. Wir benötigen neues Wissen und mehr kritisches Denken.

    Und wir brauchen Geräte, die uns nicht langfristig an ein System ohne echte Wechseloptionen ketten. Es gibt bereits Convertible-Modelle auf dem Markt, die Funktionen wie Stifteingabe, Robustheit oder Modularität bieten und sogar speziell für den Schulsektor produziert werden (Beispiel: ASUS BR-Serie). In diese Richtung und in Richtung von Linux und Freier-Open-Source-Software muss gedacht, geforscht und geplant werden. Und sollte es derzeit keine sinnvolle Lösung geben, bitte keine weiteren Panikkäufe. Denn die aktuelle Rutsche an Geräten wirft allgemein bereits große Fragen und Probleme auf, wie auch die Studien und Kehrtwende in Schweden zeigen.

    Generell setze ich mich seit Jahren im Austausch mit Politik, Verwaltung und Wissenschaft auf verschiedenen Ebenen in Deutschland dafür ein, dass endlich das Problem der langfristigen Planung auf den Schirm kommt. Denn nun startet die Phase, in der alle Beteiligten feststellen, dass das Geld bereits in Runde 2 Probleme auslöst. Deshalb werden ein DigitalPakt 2.0 und mehr Geld gefordert.

    Und dann? Wird wieder Geld in Material gesteckt und das Wissen vergessen? Wie läuft Runde 3?

    Aktuell ist nur eines gewiss: Nach dem Kauf ist vor dem Kauf …

    • Stimme voll zu. Eine verdummte iPad Generation, die normale Desktops kompliziert findet, braucht keiner.

      Linux an Schulen wäre gut. Aber kaum wer kennt sich damit aus. Reparierbare Laptops mit GNOME oder KDR Plasma, easy.

      • Meine Schule hat tatsächlich Linux Mint auf allen Laptops und Rechnern. Der Informatik Lehrer(welcher die ganze digitale Infrastruktur managt)nutzt das aber auch privat.

        • Wir hatten ein Dual Boot mit Debian und sonem uralten GNOME das prinzipiell nicht nutzbar war. Also der Desktop. Fand es super komisch und wir haben es nur ein mal geöffnet XD

          Hätten die KDE drauf gehabt wär das cool gewesen. Und wenn das halt Standard wäre, haben sowieso alles mit Libreoffice und Firefox gemacht auch auf Windows.

      • Und das Raspberry 400i ist super günstig und bietet sich hervorragend an für die Schule. Sowohl für IT als auch in Elektrotechnik einsetzbar.

        • Also einen PC mit tastatur aber ohne Monitor?

          Die Geräte sind

          1. LehrerInnen Arbeit abnehmen
          2. Lernen individueller machen ("just works"), mit Apps etc
          3. "Technikkompetenz lernen" (lol)
          4. Software und hardware lernen

          Die meisten kommen nie bei 4 an, es sollte also mindestens ein laptop sein. Touchpad tastaturen sind dreck, braucht keiner. Das minimalisierte apple zeug auch nicht.

          Aber sie müssen halt billig sein, nen Browser unterstützen (hust Chromebooks), und am besten halt noch paar gängige Apps (das sind aber echt nicht so viele).

          Dazu klein, einfach zentral zu verwalten, automatische updates etc.

          Also prinzipiell ein kleiner laptop, CentOS Stream Atomic drauf, custom image mit dem ganzen schulkram, updates kommen automatisch im hintergrund zu bestimmten Zeiten, fertig.

    • Ich kann nicht nachvollziehen wie man für Schulen auf Tablets von Apple gelandet ist. Nicht nur ist Apple generell unnötig teurer als vergleichbare Geräte, Tablets sind generell auf Einfachheit optimiert - man könnte auch sagen, sie sind daruf optimiert wenig über Technik zu lernen.

      Das mag für Lehrer ohne die nötige Kompetenz eine gute Lösung sein, wenn es unbedingt Technik sein muss, bringt aber den Schülern nichts. Da hätte man auch deutlich billiger eBook-Reader verteilen können, der einzige Effekt bleibt der leichtere Ranzen und die sind weniger geeignet um andere Dinge darauf zu tun.

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