Die Vergleiche mit diesen spezifischen Begriffen sind vielleicht absurd. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Israel vor jeder Kritik zu schützen ist und nie etwas falsch gemacht hat, wie es in diesem Interview rüberkommt.
Ist auch immer wieder schön, wie wir über die korrekte Verwendung von Vergleichsbegriffen diskutieren, während dort unten die Menschen auf beiden Seiten dahingeschlachtet werden.
Wie kommst du denn darauf? Es wird einfach erklärt, warum die Wortwahl zum Teil ein völlig falsches Bild vermittelt und deshalb in einer rationalen Diskussion nichts zu suchen hat. Dein "dahingeschlachtet" würde ich übrigens auch zu diesen problematischen Wortwahlen zählen. Wenn das Wort "schlachten" verwendet wird, dann suggeriert das ein wahlloses, unnötiges Töten. Das gab es - zumindest in den letzten Monaten - aber nur von einer Seite.
Und genau dieses Narrativ von wegen "das muss man differenzieren" ist geradezu perfekt, um jedwede Verantwortung abzugeben.
Wenn eine ethnisch/religiöse Gruppe konsequent juristisch benachteiligt wird, dann ist das vielleicht nicht exakt Apartheid, aber im Ergebnis durchaus vergleichbar.
Wenn ein Gebiet mit über 2 Millionen Menschen, die zufällig ethnisch sehr homogen sind, mit voller Absicht von jedweder Versorgung abgeschnitten wird, dann ist das vielleicht kein Genozid, aber die Intention ist sehr deutlich da.
Was ist du schwer daran, anzuerkennen, das die israelische Regierung schlechte Dinge tut? Der aktuelle Minister für nationale Sicherheit war zu rechtsextrem für die IDF, ist es wirklich so schwer zu glauben, dass der rechtsextreme Politik macht?
Du, und die Mischpoke der Möchtegern-Israelfreunde, wollen einen sauberen Konflikt ohne Ambiguitäten. Alles soll schön klar getrennt sein, hier gut, da schlecht. Aber so einfach ist die Welt nicht.
Wer wirklich ein Freund (des israelischen Volkes) sein möchte, warnt seine Freunde, wenn sie Fehler machen. Hält sie zurück, wenn sie Scheisse bauen. Aktuell passiert genau das Gegenteil. Davon hat Israel nichts.
Richtig erkannt - genau das wollte ich mit dem Wort nicht nur suggerieren, ich wollte es explizit damit ausdrücken. Ich diskutiere nicht mit jemandem, der nicht anerkennen kann, dass auf beiden Seiten in den letzten Monaten sinnlos und wahllos Menschen getötet wurden. Egal auf welcher "Seite" man steht, die sinnlose Verschwendung von Menschenleben müsste einem IMMER zu denken geben.
Ob und wie du ein Töten durch irgendjemanden als "gerechtfertigt" siehst, ist mir egal, weil es das einfach nicht ist.
Stephan Grigat: Hier muss der Begriff selbst problematisiert werden. Es ist es völlig normal, dass Menschen die Politik kritisieren, die etwa in Stockholm, Tokio oder Madrid gemacht wird. Aber wir kennen keine Wörter wie Schweden-, Japan- oder Spanienkritik. „Israelkritik“ ist vom Wort her eine Kritik am Staat Israel als solchem und keine Kritik an bestimmten politischen oder militärischen Entscheidungen.
Hmm, von einem Deutschen Experten hätte ich mir da schon erwartet, dass er die Gruppe der Antideutschen kennt, die sich ja unter anderem stark pro Israel positionieren. Genauso gibt es ja auch den Begriff des Antiamerikanismus. Da wird aber nicht direkt der Begriff problematisiert.
Ist es angebracht, im Nahostkontext von Juden, anstatt von Israelis zu sprechen?
Man muss von beidem sprechen. Die israelische Bevölkerung besteht im Kernland aus etwa 80 Prozent Juden. Das spielt eine entscheidende Rolle, da Israel kein gewöhnlicher Staat ist, sondern als unmittelbare Reaktion auf eine Verfolgungs- und Vernichtungsgeschichte als jüdischer Staat gegründet wurde, der sich selber auch so begreift. Schon zur Abbildung der Realitäten ist es zwingend notwendig, von Juden zu sprechen.
Hier soll also begrifflich entgrenzt werden, und Juden außerhalb Israels mit Israel in einen Topf geworfen werden. Damit kann man dann natürlich auch direkt in jeder Kritik am Staat Israel Antisemitismus entdecken, den man selber zuvor noch gefordert hat.
Der Antizionismus – also die Ablehnung der jüdischen Nationalstaatsidee – projiziert dann alles Negative nicht auf Juden, sondern auf den jüdischen Staat Israel. Natürlich gibt es auch einige Ausprägungen, die nichts mit Antisemitismus zu tun haben, vor allem bei ultraorthodoxen Juden oder radikalen Linken vor dem Nationalsozialismus. Wenn aber heute jemand den Zionismus ablehnt, hätte ich zunächst eine ganze Reihe von Nachfragen. Zum Beispiel, warum es gerade Juden nicht erlaubt sein sollte, einen eigenen Staat zu gründen.
Wäre mir neu im deutschen Diskurs, dass es dabei darum ginge das Juden keinen eigenen Staat gründen sollen dürfen. Es geht doch darum, dass man einen Staat nicht dadurch gründen kann, dass man die dort lebenden Menachen vertreibt und entrechtet. Beim jetzigen Zionismus geht es doch auch nicht nur darum einen jüdischen Staat zu haben, sondern einen jüdischen Staat im heiligen Land, egal wer da noch so lebt(e).
Der Vorwurf des Kolonialismus ist absurd, wenn man sich die Geschichte der israelischen Staatsgründung anschaut: Sie war auch ein antikolonialer Akt, da die Zionisten damit die Briten aus dem Land vertrieben haben.
Das ist ja nun wirklich Unfug. Nach der Logik hätten ja Deutschland und Russland jedes mal antikolonialistisch gehandelt, als sie den jeweils anderen aus Polen vertrieben und die Herrschaft übernommen haben.
Nichtsdestotrotz finden sich in frühen zionistischen Schriften auch Formulierungen wie „Wir müssen das Land kolonisieren“. Das ist aber ein ganz anderer Kontext als beim europäischen Kolonialismus. Die Diskussion über die heutige Siedlerbewegung würde ich davon loslösen. Hier geht es nicht um Kolonialismus, sondern um die Konkurrenz zweier Nationalstaatsbewegungen
Ab hier wird es dann lächerlich. Die Realität ist, dass die Bevölkerung eines Besatzerstaates die besetzte Bevölkerung vertreibt, um sich das Land anzueignen. Das ist klassischer Kolonialismus, und weil der europäische Kolonialismus mit Bodenschätzen und Agrarprodukten andere Schwerpunkte gesetzt hat, macht es den Siedlerkolonialismus nicht weniger kolonialistisch.
Auch der Genozid-Vorwurf ist in der aktuellen Situation eine Schuldumkehr: Israel begeht keinen Genozid, sondern führt einen Antiterror-Krieg gegen antisemitische Mörderbanden. Beim Massaker der Hamas hingegen müsste von genozidaler Gewalt gesprochen werden.
Jaja, und weil man ja Antiterrorkrieg führt, ist es ja egal wie und wieviele Menschen man tötet. Das Prinzip kennt man ja schon von der amerikanischen Irakinvasion...
Schon heftig, wie man sich die Welt zurechtlegen kann. Erst wirft man als Antisemitismus"experte" Juden und Israel in einen Topf, um dann jede Kritik als Antisemitismus brandmarken zu können. Andererseits spricht man von Täter-Opfer-Umkehr, nimmt aber die Einordnung von Begriffen wie Kolonialismus anhand der Täterperspektive und nicht der Opferperspektive vor.
Der antikoloniale Aspekt der Vertreibung der Briten ist schon korrekt so, kein Unfug. Die Briten waren die Kolonialmacht im Mandatsgebiet.
Die Aschkenasim im Mandatsgebiet nehmen eine ähnliche Rolle ein wie die Siedler in den Dreizehn Kolonien zur Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs.
Der antikoloniale Aspekt der Vertreibung der Briten ist schon korrekt so, kein Unfug. Die Briten waren die Kolonialmacht im Mandatsgebiet.
Die Aschkenasim im Mandatsgebiet nehmen eine ähnliche Rolle ein wie die Siedler in den Dreizehn Kolonien zur Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs.
Vergleiche mit dem Holocaust oder Nazi Deutschland sind daneben und verharmlosen nur was damals passiert ist.
Der Kolonialismusvergleich ist aber gerechtfertigt, genauso wie jegliche andere Kritik gegenüber der Apartheidpolitik in Israel. Was dort geschieht ist alles andere als "die einzige Demokratie im Nahen Osten". Es ist ein Staat der spezifisch den Juden auf religiöser und ethnischer Ebene dient und nicht der ganzen Bevölkerung, wie zum Beispiel den Arabern im Land. Selbst die Parteienladnschaft ist nach Ethnien und Religion segregiert.
Und nein das entschuldigt nicht die Hamas, aber andersherum auch nicht.
Hmm ich weiß nicht, der größte Unterschied zwischen Israel und den Nazis ist im Prinzip, dass sie sie Palästinenser ihr Konzentrationslager selbst verwalten lassen. Ethnische Säuberungen und gezielte Ermordungen finden halt trotzdem statt, wenn auch vielleicht nicht im gleichen Stil.
Aber der Großteil der Toten bei den Nazis kam ja auch erst zum Kriegsende. Davor waren es ja auch “nur” Arbeits- und Haftlager und man hat weltweit ein paar Augen zugekniffen.
In dem Interview sagte der Interviewte nur "Apartheid war wegen Rassismus und in Südafrika. In Israel sind die Leute in Gaza und der Westbank eingeschlossen wegen Terrorismus." Das Strohmänner aber das Apartheidsargument. Da geht es eben nicht nur um die Araber in der Westbank und Gaza sondern auch um alle Nichtjuden in Israel (auch Nichtjüdische Staatsbürger), die mit legaler Diskriminierung leben müssen.
Also wenn Diskriminierung vom Staat durchgesetzt wird, ist das ein Apartheidsregime. Oder muss es in Südafrika sein damit der Begriff angewendet werden kann?
Es überrascht mich, dass dieser "Experte" nicht weiss, dass sich der Apartheidsbegriff nicht nur explizit auf Südafrika bezieht und dass nach UN- und ICC-Definition Rassismus nicht Teil der Intention der Unterdrückung sein muss (auch wenn ich das zumindest einem grossen Teil der israelischen Politik unterstellen würde).
Insgesamt ist dieser Artikel leider auch nur ein Haufen Israel-Apologismus, nicht besser als was wir von pro-russischen Propagandisten aufgetischt bekommen, um die Invasion zu rechtfertigen. Schade drum, die taz zeigt, dass man auch in Deutschland guten Journalismus zu dem Thema machen kann.
Auch wenn ich nicht weiß, ob man manche Leute überhaupt noch mit Argumenten erreicht, finde ich diesen Artikel doch ganz hilfreich, wenn man Argumente gegen die Dämonisierung Israels benötigt.
Allerdings finde ich es ein wenig schade, dass beim Punkt "Kolonialismus" nicht die über 800.000 vertriebenen Juden aus arabischen Ländern und dem Iran erwähnt werden, die in Israel nach 1948 Zuflucht gefunden haben und deren Nachfahren heute mehr als die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Israels ausmachen. Denn deren Existenz macht den Vorschlag, die Juden sollten "zurück nach Polen gehen", den ich schonmal gelesen habe, irgendwie obsolet.
Tatsächlich bringst du hier noch den besten Punkt. Die Argumentation in dem Interview halte ich für extrem einseitig und in vielen Fällen nicht korrekt.
In Südafrika war die Unterdrückung durch eine rassistische Ideologie begründet. Die Bewegungseinschränkungen in den besetzten Gebieten und andere Sicherheitsmaßnahmen resultieren hingegen nicht aus einem Rassismus gegenüber Arabern, sondern sind Ergebnis des historischen Konflikts und reagieren auf Terroraktivitäten auf palästinensischer Seite.
Ah, gottseidank. Das macht die Situation natürlich vollkommen gerechtfertigt und entlastet den Staat vollkommen. Case closed.
Es geht doch darum, dass eine bestimmte Bezeichnung eine bestimmte Motivation identifiziert.
Wir unterscheiden ja auch zwischen Mord, Totschlag und Unfall, obwohl das Ergebnis das gleiche ist. Trotzdem macht das nicht jeden Unfall zu einem Mord.
Sich einfach was aus dem Kontext schneiden um die eigene politische Agenda zu stärken, sehr konstruktiv. Schaut man in den Text, geht hervor dass es hier nicht um eine Relativierung geht, sondern um einen Begriff: Apartheid.
Auch in den besetzten bzw. umstrittenen Gebieten des Westjordanlands halte ich den Vorwurf der Apartheid für falsch:
In Südafrika war die Unterdrückung durch eine rassistische Ideologie begründet. Die Bewegungseinschränkungen in den besetzten Gebieten und andere Sicherheitsmaßnahmen resultieren hingegen nicht aus einem Rassismus gegenüber Arabern, sondern sind Ergebnis des historischen Konflikts und reagieren auf Terroraktivitäten auf palästinensischer Seite.
Ah, gottseidank. Das macht die Situation natürlich vollkommen gerechtfertigt und entlastet den Staat vollkommen. Case closed.
Das hat niemand behauptet. Es nur einfach das falsche Wort. Das ist, als würde man jemandem, der dir einen Ziegelstein ins Fenster geworfen hat, Brandstiftung vorwerfen würde. Keines von beidem ist okay, aber wenn jemand darauf besteht normale Sachbeschädigung als Brandstifung zu bezeichnen, ist es schwer ihn noch ernst zu nehmen.
Hier täuscht die Wortwahl einfach eine Konfliktgrenze vor, die es so nicht gibt. Es geht eben nicht um die Unterdrückung einer anderen "Rasse", sondern schlichtweg darum Land in Besitz zu nehmen und den Einfluss von Gruppen, die als Bedrohung des Staats gesehen werden, zu beschränken. Es gibt einen Grund, dass der Artikel nicht über den ebenfalls gern gegen Israel gerichteten Begriff "Imperialismus" schreibt. Der ist nämlich mehr oder weniger geeignet, um dieses Vorgehen zu beschreiben.
Der Vergleich wäre wohl eher, dass jemand einmal einen Brandsatz wirft, weil er dich wegen deiner Ethnie hasst, und einmal weil er dein Haus abbrennen will, um dann dasein eigenes zu bauen.
Wobei auch Israel massiven Rassismus gegenüber den Palästinensern im Speziellen und Arabern im Allgemeinen zeigt.